Mittwoch, 11. Juli 2007

Rezension - Nick Hornby: "A long way down"

Nick Hornby : A long way down

Nick Hornby erzählt die bizarre Geschichte vierer Personen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Diese Vier begegnen sich in der Silvesternacht auf dem Dach eines Hochhauses. Jeder mit der mehr oder weniger festen Absicht sich das Leben zu nehmen. Gemeinsam beschließen sie die Frist bis zum Ende ihres Lebens zunächst ein wenig und schließlich immer und immer wieder zu verlängern. Mit jedem Aufschub kommen sie dem Leben wieder ein bisschen näher.

Die Situation auf dem Dach sowie die folgenden Ereignisse wirken konstruiert und nicht immer nachvollziehbar. Das Buch vermittelt zwar eine depressive Stimmung, doch von echter Verzweiflung, Ausweglosigkeit oder der für Depressionen typischen Irrationalität, kann keine Rede sein. Die Gründe, welche die vier Suizidkandidaten auf das Dach treiben sind ebenso offensichtlich (Maureen) wie banal (JJ).
Es scheint als wolle Hornby, als er das Thema Selbstmord wählte, einen tiefgründigen Roman schreiben, traue sich aber in letzter Konsequenz nicht, wirklich in die geistigen Abgründe zu blicken und sie vollends auszuleuchten.

Bereits nach dem ersten Gespräch der vier Personen auf dem Dach wird für den Leser klar, dass keiner von ihnen sich das Leben nehmen wird, auch wenn die Figuren es sich selbst erst sehr viel später eingestehen. Im weiteren Verlauf kommen dem Leser relativ schnell begründete Zweifel an der tatsächlichen Selbstmordabsicht der Personen. Beinahe zeitgleich mit dieser Erkenntnis keimt die Frage nach dem Ziel der Erzählung auf. Man weiß bereits, oder ahnt es zumindest, dass diese Personen wieder ins Leben finden werden oder zumindest nicht wirklich bereit sind das Leben aufzugeben. Folglich fragt sich der Leser, wohin diese Geschichte führen soll, wie lange wird man hingehalten, ehe die Personen sich eingestehen, was man selbst längst weiß? Was für ein Ende soll es in einer Geschichte ohne greifbares Ziel geben? Der Leser fühlt sich mit allen folgenden Ereignissen hingehalten und erwartet, dass nun bald etwas passieren würde oder das Ende zumindest eine ganz besondere philosophische Erkenntnis über das Leben mit sich bringen oder vielleicht sogar die populäre Frage nach dem Sinn des Lebens beantworten würde. Tatsache ist: Es gibt überhaupt kein Ende. Es scheint, als höre die Erzählung einfach auf. Als sei es Hornby selbst leid gewesen, weiterhin Wegweiser für Wege aufzustellen, deren Verlauf ohnehin jeder selbst sehen kann. Das Ende ist weder richtig offen, indem es beispielsweise eine Frage im Raum stehen lassen würde, noch ist die Handlung abgeschlossen. Der Leser bleibt enttäuscht zurück.

Allein der Umstand, dass die Personen immer abwechselnd erzählen und streckenweise die gleichen Begebenheiten aus völlig anderen Blickwinkeln wiedergeben, macht die Erzählung interessant und lesenswert. Auch der Witz und der teilweise recht schwarze Humor, mit dem Hornby seine Figuren das Leben betrachten lässt, sind sehr angenehm zu lesen. In der Frage nach dem Leben oder dem Tod bringen sie den Leser jedoch nicht weiter. Die einzige Erkenntnis, die Maureen, Jess, Martin und JJ verkörpern ist die, dass das Leben nun mal kein Ponyhof ist und man sich mit Problemen auseinandersetzen und sie anpacken muss. Es kommt niemand, der das für einen übernimmt. Man muss Hornby allerdings zu Gute halten, dass er sich trotz seiner humorvollen Schreibweise niemals über die Figuren oder die Thematik des Suizids lustig macht.

Die Gefühlswelt der dargestellten Personen ist nur teilweise überzeugend beschrieben. Zwar gibt Hornby die Gedanken der Selbstmordkandidaten, so wie er sie sich vorstellt, wieder, doch sie wirken eher platt und oberflächlich. Es scheint als wolle oder könne er nicht tiefer in ihre Gedanken eindringen, als behandle er tatsächlich nur die Spitze, oder vielleicht den Rumpf, aber keinesfalls den ganzen Eisberg. Die Personen bleiben unscharf gezeichnet. Sie ähneln eher einer Zeichenskizze, denn einem Portrait. Untypisch für Hornby ist allerdings, der Umstand, dass die Frauenfiguren wesentlich überzeugender dargestellt sind, als die männlichen Gestalten. Bei der Lektüre beispielsweise von „High Fidelity“ gewann man eher den Eindruck, dieses Buch sei doch stark aus der männlichen Perspektive geschrieben. In dieser Hinsicht hat Hornby diesmal mehr Feingefühl bewiesen. Dennoch bleibt der Eindruck, „A long way down“ sei gewollt und nicht gekonnt. Hornby sollte lieber bei den unterhaltsamen Büchern bleiben, wo er mit seinem Witz und Humor wesentlich mehr erreichen kann, als bei einem Thema wie Suizid.

(Eva Weigand)

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