Konzepte der Traumdeutung im 20.Jh.
Im 20. Jh. war das Theoriemodell Sigmund Freuds (1856 – 1939) zur Erklärung und Deutung von Träumen weit verbreitet. Es beinhaltete die These, dass Träume der Erlebnisverarbeitung des Träumers dienen und sie deshalb beispielsweise Aufschluss über seine inneren Konflikte geben können. Außerdem kommen, nach Freud, im Traum Triebe und Tendenzen zum Ausdruck, die im Wachzustand unterdrückt oder verleugnet werden.[1]
Zwar gab es Autoren, die von der normativen Geltung der freudschen Traumtheorie ausgingen, doch zumeist wurde sie mit Elementen der eigenen Weltanschauung vermischt oder dieser angepasst.
Traumaufzeichnungen Kafkas
Von 1909 bis 1922 schrieb Kafka 60 seiner Träume nieder und verschickte 30 davon an Freunde und Verwandte. Die Niederschrift von Träumen gleich nach dem Erwachen diente Kafka als Lockerungsübung um seinen Schreibfluss in Gang zu setzen. Diese Niederschriften bezeichnet Manfred Engel als Traumnotate. Er unterscheidet des Weiteren zwischen literarischen Träumen und nicht als Träumen markierten Texten.[2]
Die Funktion von Traumaufzeichnungen
Für Kafka dienen Träume der Selbstbeobachtung. In seinen Traumnotaten teilt er dem Adressaten seine innere Einstellung ihm gegenüber mit. Auf diese Weise wirbt er um Zuneigung und Zuwendung, betont aber auch die unüberbrückbare Distanz, denn indem er kaum Deutungshinweise gibt, lässt er dem Adressaten ein gewisses Maß an Interpretationsspielraum. In seinen traumhaften Erzählungen will Kafka die sinnliche und die geistige Welt gegenüberstellen. [3]
Traumhaftes Erzählen bei Kafka
Kafka selbst bezeichnet sein literarisches Werk als „Darstellung meines traumhaften innern Lebens“[4]. In seinen Traumnotaten gibt Kafka keine Hinweise auf das Aufwachen oder die Situation danach. Er schildert nur den Traum selbst. Die Unterscheidung des „erzählten Ich“ und des „erzählenden Ich“ verschwimmt. Die traumhafte Welt trifft auf ein exakt beobachtendes Ich. Die Brüche oder Lücken die in den Träumen enthalten sind, versucht Kafka zu kaschieren. Er bemüht sich um Kontinuität der Erzählung.[5]
[1] Thomas Stoffer: Sigmund Freud
In: Microsoft Encarta Enzyklopädie Professional © 1993 – 2003
[2] Manfred Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. Ein Beitrag zur Oneiropoetik
der Moderne. In: Träumungen. Traumerzählungen in Film und Literatur. Hrsg. von Bernard Dieterle. 2. Aufl.
St. Augustin: Gardez! 2002 (= Filmstudien 9). S .238
[3] Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. S. 236-237
[4] Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. S.235 Z.3
[5] Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. S.244 f.
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