Mittwoch, 18. Juli 2007

Literaturzitate

"Wer versteht schon sich selbst? Wer versteht schon irgend jemanden? Nur Idioten wagen die Behauptung, sie verstünden einen Menschen. Niemand tut das. Vielleicht nicht einmal Gott."
(Daniel Kehlmann: Beerholms Vorstellung)

"Und das war er: Der Moment der äußersten, der letzten, der wirklichen Verzweiflung. Ich weinte nicht, das hatte ich hinter mir. Ich rührte mich nicht, ich öffnete nicht einmal die Augen. Ich tat gar nichts. Ich hörte ihm zu und versuchte mit der Gewissheit fertig zu werden, die gerade, woher auch immer, auf mich gestürzt war.
Dass ich ihm nicht entkommen würde, niemals. Dass er bei mir sein würde, immer und überall hin bis in die graue Ewigkeit. Dass er mit mir in die andere Welt kommen würde, in jede andere Welt. Dass ich das selbst war. Jawohl, ich. Dieser werbespruchträllernde Idiot, das war meine Seele. Und eine andere hatte ich nicht."
(Daniel Kehlmann: Beerholms Vorstellung)

"Zum ersten Mal in meinem Leben begriff ich, was ein Buch ist. Ein Buch ist eine magische Welt voller kleiner Zeichen, die die Toten zum Leben erwecken und den Lebenden das ewige Leben schenken können. Es ist unfassbar,fantastisch und magisch, dass die26 Buchstaben unseres Alphabets auf so viele Weisen zusammengesetzt werden können, dass sie riesige Regale mit Büchern füllen und uns in eine Welt führen, die niemals ein Ende nimmt, sondern die wachsen wird, solange es auf dieser Welt Menschen gibt."
(Jostein Gaarder)

"In den Seelen mancher Menschen richtet die Trauer einen größeren Jubel an als die Freude. Von allen Tränen, die man verschluckt, sind jene die köstlichsten, die man über sich selbst geweint hätte."
(Joseph Roth: Die Flucht ohne Ende)

"Der Krieg kostete einer Millionen Menschen das Leben, den König von Frankreich sein Kolonialreich und alle beteiligten Staaten so viel Geld, dass sie sich schließlich schweren Herzens entschlossen ihn zu beenden."
(Patrick Süskind: Das Parfum)

"Die Wirklichkeit verschwimmt und alles wird Erinnerung. Du hast nach und nach aufgehört Sehnsucht zu sein und bist Erinnerung geworden."
(Alessandro Barico: Oceano Mare)

"Ich wollte die Welt beschreiben, weil es zu einsam war, in einer unbeschriebenen Welt zu leben."
(Nicole Krauss: Die Geschichte der Liebe)

"Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft."
(B. Brecht)

"Wenn die Regierung mit ihrem Volk unzufrieden ist, soll sie es auflösen und sich ein neues wählen."
(B. Brecht)

"Wenn man alle Gesetze studieren sollte, so hätte man gar keine Zeit sie zu übertreten."
(J.W. Goethe)

Mittwoch, 11. Juli 2007

literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Kafka

Konzepte der Traumdeutung im 20.Jh.

Im 20. Jh. war das Theoriemodell Sigmund Freuds (1856 – 1939) zur Erklärung und Deutung von Träumen weit verbreitet. Es beinhaltete die These, dass Träume der Erlebnisverarbeitung des Träumers dienen und sie deshalb beispielsweise Aufschluss über seine inneren Konflikte geben können. Außerdem kommen, nach Freud, im Traum Triebe und Tendenzen zum Ausdruck, die im Wachzustand unterdrückt oder verleugnet werden.[1]
Zwar gab es Autoren, die von der normativen Geltung der freudschen Traumtheorie ausgingen, doch zumeist wurde sie mit Elementen der eigenen Weltanschauung vermischt oder dieser angepasst.


Traumaufzeichnungen Kafkas

Von 1909 bis 1922 schrieb Kafka 60 seiner Träume nieder und verschickte 30 davon an Freunde und Verwandte. Die Niederschrift von Träumen gleich nach dem Erwachen diente Kafka als Lockerungsübung um seinen Schreibfluss in Gang zu setzen. Diese Niederschriften bezeichnet Manfred Engel als Traumnotate. Er unterscheidet des Weiteren zwischen literarischen Träumen und nicht als Träumen markierten Texten.[2]


Die Funktion von Traumaufzeichnungen

Für Kafka dienen Träume der Selbstbeobachtung. In seinen Traumnotaten teilt er dem Adressaten seine innere Einstellung ihm gegenüber mit. Auf diese Weise wirbt er um Zuneigung und Zuwendung, betont aber auch die unüberbrückbare Distanz, denn indem er kaum Deutungshinweise gibt, lässt er dem Adressaten ein gewisses Maß an Interpretationsspielraum. In seinen traumhaften Erzählungen will Kafka die sinnliche und die geistige Welt gegenüberstellen. [3]


Traumhaftes Erzählen bei Kafka

Kafka selbst bezeichnet sein literarisches Werk als „Darstellung meines traumhaften innern Lebens“[4]. In seinen Traumnotaten gibt Kafka keine Hinweise auf das Aufwachen oder die Situation danach. Er schildert nur den Traum selbst. Die Unterscheidung des „erzählten Ich“ und des „erzählenden Ich“ verschwimmt. Die traumhafte Welt trifft auf ein exakt beobachtendes Ich. Die Brüche oder Lücken die in den Träumen enthalten sind, versucht Kafka zu kaschieren. Er bemüht sich um Kontinuität der Erzählung.[5]


[1] Thomas Stoffer: Sigmund Freud
In: Microsoft Encarta Enzyklopädie Professional © 1993 – 2003
[2] Manfred Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. Ein Beitrag zur Oneiropoetik
der Moderne. In: Träumungen. Traumerzählungen in Film und Literatur. Hrsg. von Bernard Dieterle. 2. Aufl.
St. Augustin: Gardez! 2002 (= Filmstudien 9). S .238
[3] Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. S. 236-237
[4] Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. S.235 Z.3
[5] Engel: Literarische Träume und traumhaftes Schreiben bei Franz Kafka. S.244 f.

externe deutsche Dialekte im Elsass

Mundart im Elsass

Im Elsass wird nicht einheitlich eine bestimmte Mundart gesprochen, sondern es gibt regionale Unterschiede. Größtenteils wird im Elsass Niederalemannisch gesprochen, im elsässischen Süden hingegen spricht man Hochalemannisch und im Norden Fränkisch. Aber auch schwäbische Einflüsse machen sich im Elsass bemerkbar, daher ist oft von Schwäbisch-Alemannisch die Rede.
Die verschiedenen Mundarten werden im Volksmund häufig unter Elsässisch oder auch „Elsässerditsch“ zusammengefasst.

Sprachliche Besonderheiten der Elsässer Mundarten

In der Elsässer Mundart lassen sich folgende sprachliche Veränderungen gegenüber dem Hochdeutschen feststellen:
Die Silben –er und –ir werden auf den Buchstaben „r“ reduziert. So wird beispielsweise aus Mutter, “Muodr“.
Außerdem verschiebt sich „g“ häufig zu „w“ (z.B. Magen à Mawe; Wagen à Wawe).
Desweiteren vollzieht sich im Elsass die sogenannte binnen(hoch)deutsche Konsonantenschwächung. Das bedeutet, dass b und p zu b, g und k zu g und d und t zu d werden. Eine weitere sprachliche Besonderheit ist der Verlust des einfachen Präteritums. So wird zum Beispiel „er isch ggange“ statt „er ging“ oder „er hät gmacht“ statt „er machte“ gesagt.
Allgemein lässt sich sagen, dass in der Elsässer Mundart viele französische Wortstämme verwendet werden (z.B. Velo für Fahrrad oder Trotoir für Gehsteig). Es sind jedoch auch über 300 Wörter verzeichnet, die ausschließlich im Raum Elsass gelten.
Bsp: Bibeleskäse (Quark), Finken ( Hausschuhe), Herdapfel (Kartoffel), Schneuzfleck (Taschentuch), wunderfitzig (neugierig).
Es gibt allerdings auch innerhalb des Elsass unterschiedliche sprachliche Besonderheiten.
Im Fränkischen, also im nördlichen Elsass werden die Silben –scht und –schp im Inlaut gesprochen (ischt, fescht, Reschpekt).
Der Diminutiv wird hier häufig mit -che gebildet, wohingegen man für diese Form im westlichen Elsass die Endsilbe –le verwendet.
Das lässt sich besonders gut am Beispiel einer (Nieder-) Alemannischen Redewendung zeigen:

„Des wirst doch au glaube, dass s Christkindle kei Ma ist, sonst tät ma s Christkindle Christma heiße.“

Im Süd- und Mittelelsass werden außerdem die runden Laute ü, ö und oi durch i, e und ei ersetzt. --> Grischt (Gerüst), Kepf (Köpfe), Leit (Leute)

Mundart heute

Nach 1945 wurde die Mundart im Elsass aus dem öffentlichen Leben (Schulen, Verwaltung etc.) verbannt. Die Franzosen versuchten möglichst jedweden deutschen Einfluss aus der Kultur des Elsass zu verbannen.
Demzufolge sprechen heute nur noch wenige Elsasser tatsächlich Mundart. In den letzten Jahren war diese Bewegung jedoch Rückläufig. Sowohl die Administration als auch Privatleute setzen sich dafür ein, die Mehrsprachigkeit zu erhalten. Ortsschilder werden auf Anfrage auch mit dem elsässisch besprochenen Namen beschrieben, (z.B. Steinbourg – „Steiweri“) und Schriftsteller schreiben sowohl französische als auch hochdeutsche und elsässische Bücher. Die Mundart wird also wieder ins öffentliche und kulturelle Leben integriert.
Externe deutsche Dialekte im Elsass


Was wird wo gesprochen:

Im größten Teil des Elsass wird Niederalemannisch gesprochen, im südlichen Elsass hingegen Hochalemannisch und im Norden des Elsass Fränkisch.
Es bestehen außerdem schäbische und pfälzische Einflüsse, man spricht auch häufig vom Schwäbisch-Alemannischen.


Sprachliche Kennzeichen:

Die Silben –er und –ir werden auf den Buchstaben „r“ reduziert.
--> Mutter - Muodr

„g“ verschiebt sich häufig zu „w“
--> Magen – Mawe

Binnen(hoch)deutsche Konsonantenschwächung, d.h. b und p werden zu b, g und k zu g und d und t zu d.

Verlust des Präteritums
-> „er isch ggange“ statt „er ging“ oder „er hät gmacht“ statt „er machte“

Über 300 Wörter die ausschließlich im Elsass gelten
--> Bsp: Bibeleskäse (Quark), Finken ( Hausschuhe), Herdapfel (Kartoffel), Schneuzfleck (Taschentuch), wunderfitzig (neugierig).

Im Fränkischen, also im nördlichen Elsass werden die Silben –scht und –schp im Inlaut gesprochen.
--> ischt, fescht, Reschpekt

Im westlichen Elsass wird der Diminutiv mit der Endsilbe –le gebildet
--> Bsp: „Des wirst doch au glaube, dass s Christkindle kei Ma ist, sonst tät ma s Christkindle Christma heiße.“

Im Süd- und Mittelelsass werden außerdem die runden Laute ü, ö und oi durch i, e und ei ersetzt.
--> Grischt (Gerüst), Kepf (Köpfe), Leit (Leute)

Rezension - Nick Hornby: "A long way down"

Nick Hornby : A long way down

Nick Hornby erzählt die bizarre Geschichte vierer Personen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Diese Vier begegnen sich in der Silvesternacht auf dem Dach eines Hochhauses. Jeder mit der mehr oder weniger festen Absicht sich das Leben zu nehmen. Gemeinsam beschließen sie die Frist bis zum Ende ihres Lebens zunächst ein wenig und schließlich immer und immer wieder zu verlängern. Mit jedem Aufschub kommen sie dem Leben wieder ein bisschen näher.

Die Situation auf dem Dach sowie die folgenden Ereignisse wirken konstruiert und nicht immer nachvollziehbar. Das Buch vermittelt zwar eine depressive Stimmung, doch von echter Verzweiflung, Ausweglosigkeit oder der für Depressionen typischen Irrationalität, kann keine Rede sein. Die Gründe, welche die vier Suizidkandidaten auf das Dach treiben sind ebenso offensichtlich (Maureen) wie banal (JJ).
Es scheint als wolle Hornby, als er das Thema Selbstmord wählte, einen tiefgründigen Roman schreiben, traue sich aber in letzter Konsequenz nicht, wirklich in die geistigen Abgründe zu blicken und sie vollends auszuleuchten.

Bereits nach dem ersten Gespräch der vier Personen auf dem Dach wird für den Leser klar, dass keiner von ihnen sich das Leben nehmen wird, auch wenn die Figuren es sich selbst erst sehr viel später eingestehen. Im weiteren Verlauf kommen dem Leser relativ schnell begründete Zweifel an der tatsächlichen Selbstmordabsicht der Personen. Beinahe zeitgleich mit dieser Erkenntnis keimt die Frage nach dem Ziel der Erzählung auf. Man weiß bereits, oder ahnt es zumindest, dass diese Personen wieder ins Leben finden werden oder zumindest nicht wirklich bereit sind das Leben aufzugeben. Folglich fragt sich der Leser, wohin diese Geschichte führen soll, wie lange wird man hingehalten, ehe die Personen sich eingestehen, was man selbst längst weiß? Was für ein Ende soll es in einer Geschichte ohne greifbares Ziel geben? Der Leser fühlt sich mit allen folgenden Ereignissen hingehalten und erwartet, dass nun bald etwas passieren würde oder das Ende zumindest eine ganz besondere philosophische Erkenntnis über das Leben mit sich bringen oder vielleicht sogar die populäre Frage nach dem Sinn des Lebens beantworten würde. Tatsache ist: Es gibt überhaupt kein Ende. Es scheint, als höre die Erzählung einfach auf. Als sei es Hornby selbst leid gewesen, weiterhin Wegweiser für Wege aufzustellen, deren Verlauf ohnehin jeder selbst sehen kann. Das Ende ist weder richtig offen, indem es beispielsweise eine Frage im Raum stehen lassen würde, noch ist die Handlung abgeschlossen. Der Leser bleibt enttäuscht zurück.

Allein der Umstand, dass die Personen immer abwechselnd erzählen und streckenweise die gleichen Begebenheiten aus völlig anderen Blickwinkeln wiedergeben, macht die Erzählung interessant und lesenswert. Auch der Witz und der teilweise recht schwarze Humor, mit dem Hornby seine Figuren das Leben betrachten lässt, sind sehr angenehm zu lesen. In der Frage nach dem Leben oder dem Tod bringen sie den Leser jedoch nicht weiter. Die einzige Erkenntnis, die Maureen, Jess, Martin und JJ verkörpern ist die, dass das Leben nun mal kein Ponyhof ist und man sich mit Problemen auseinandersetzen und sie anpacken muss. Es kommt niemand, der das für einen übernimmt. Man muss Hornby allerdings zu Gute halten, dass er sich trotz seiner humorvollen Schreibweise niemals über die Figuren oder die Thematik des Suizids lustig macht.

Die Gefühlswelt der dargestellten Personen ist nur teilweise überzeugend beschrieben. Zwar gibt Hornby die Gedanken der Selbstmordkandidaten, so wie er sie sich vorstellt, wieder, doch sie wirken eher platt und oberflächlich. Es scheint als wolle oder könne er nicht tiefer in ihre Gedanken eindringen, als behandle er tatsächlich nur die Spitze, oder vielleicht den Rumpf, aber keinesfalls den ganzen Eisberg. Die Personen bleiben unscharf gezeichnet. Sie ähneln eher einer Zeichenskizze, denn einem Portrait. Untypisch für Hornby ist allerdings, der Umstand, dass die Frauenfiguren wesentlich überzeugender dargestellt sind, als die männlichen Gestalten. Bei der Lektüre beispielsweise von „High Fidelity“ gewann man eher den Eindruck, dieses Buch sei doch stark aus der männlichen Perspektive geschrieben. In dieser Hinsicht hat Hornby diesmal mehr Feingefühl bewiesen. Dennoch bleibt der Eindruck, „A long way down“ sei gewollt und nicht gekonnt. Hornby sollte lieber bei den unterhaltsamen Büchern bleiben, wo er mit seinem Witz und Humor wesentlich mehr erreichen kann, als bei einem Thema wie Suizid.

(Eva Weigand)

Giottos Freskenzyklus in Padua

Der Freskenzyklus der Capella degli Scrovegni in Padua

Die Kapelle wurde in der Zeit zwischen 1303 und 1305 im Auftrag von Enrico degli Scrovegni an die Stelle des alten Amphitheaters in Padua gebaut. Am 25. März des Jahres 1305 fand schließlich die feierliche Kirchweihe statt.
Der Zeitpunkt des Entstehens des Freskenzyklus ist nicht eindeutig datierbar. Es wird vermutet, dass Giotto mit der Bemalung des Gemäuers bereits begann, bevor die Kirche komplett fertiggestellt war.[1]
Giotto teilte die Wände der Kapelle in regelmäßige Felder ein , so dass beinahe alle Bilder rechteckig begrenzt waren. Durch diese Einteilung erwirkte er erstmals eine Isolation des Einzelbildes. Diese Vorgehensweise führte später zur Entwicklung des euopäischen Tafelbildes.
Bereits bei der Vorzeichnung wurden die Bilder in Abschnitte unterteilt, welche den Konturen der Figuren und den einzelnen Feldern des jeweiligen Bildes folgten.
Jedes Bild wurde als „Raumbühne“ konzipiert, jedoch ohne Kenntnisse der späteren Perspektivenkonstruktion.
Giotto bricht mit vielen traditionellen Normen der mittelalterlichen Malerei. Die Figuren in seinen Bildern neigen sich beispielsweise einander zu, es sind Ansätze menschlicher Gebärdensprache zu erkennen. Mit Hilfe dieser Gebärden stellt Giotto auch menschliche Emotionen wie z.B. den Zorn auf einem der Sockelfresken (Abb. 1) dar. Auf seinem Bild >> Hochzeit von Kana<< (Abb. 2) folgt Giotto zwar den Regeln der Isokephalie, dass heißt die Figuren haben alle in etwa die gleiche Kopfhöhe, überrascht jedoch mit der Anordnung der Figuren. Jesus Christus ist am Rand der Tafel platziert und unterscheidet sich nur unmerklich durch den Nimbus aus, mit dem auch Petrus und Maria gekennzeichnet sind. In der vorangegangenen Malerei wurde Christus stets als umkränzter Mittelpunkt des Bildes dargestellt.
In der Darstellung der >>Beweinung Christi<< (Abb.3) bricht Giotto auch mit dem Gesetz der Isokephalie. In diesem Bild ist Jesus ebenfalls nicht im Mittelpunkt des Bildes, aber dennoch eindeutig als Zentrum des Bildgeschehens zu erkennen, da sich alle Figuren zu ihm neigen. Auf den Gesichtern der Engel ist der Ausdruck des Schmerzes unverkennbar.
Diese Brüche mit den Normen der vorangegangenen Malerei waren bis dahin unvorstellbar. Dennoch waren es nicht die Neuerungen in der formalen Technik welche die Leute seiner Zeit begeisterten, sondern vielmehr „ […] die Wiedergabe der Wirklichkeit des Raumes und der menschlichen Gebärdensprache.“ [2]
Die Fresken der Kapelle in Padua zeigen Giottos Kunst so einprägsam wie sonst nur wenige Bilder seiner Hand. Während sich in Assisi seine Werkstatt noch streng und genau an Giottos Anweisungen hielt, hatten die Mitarbeiter sich in Padua bereits seinen Stil zu eigen gemacht und ihre Arbeit verband sich homogen mit der ihres Lehrmeisters Giotto.[3]
Das Problem der Chronologie der Fresken von Padua hat eine Bedeutung im Zusammenhang mit der stilistischen Entwicklung Giottos. Die natürliche Abfolge einer Wandmalerei ist, aus Gründen praktischer Zweckmäßigkeit, die welche von oben nach unten fortschreitet. Einige Forscher (Romdahl, Arslan, Baumgart) glaubten jedoch bei den Fresken in Padua stilistische Unterschiede zwischen der oberen und den beiden darunter liegenden Reihen feststellen zu können. Da ihrer Meinung nach die obere Reihe, welche das Leben Marias darstellt, stilistisch am weitesten fortgeschritten sei, schlussfolgerten sie, diese sei zuletzt entstanden.
Romdahl vermutete, Giotto habe nach Fertigstellung der unteren und mittleren Reihe eine Reise nach Avignon unternommen und nach seiner Rückkehr die obere Reihe des Freskenzyklus gemalt. Diese These begründete er mit der Beobachtung, einzelne Szenen des Marienlebens stünden in Beziehung zu gotischen Plastiken der französischen Kathedralen.
Die drei Forscher sahen als Hinweis für ihre These des späteren Entstehens der oberen Reihe des Freskenzyklus vor allem die Tatsache, dass die Darstellungen des Lebens Marias einen nicht unerheblich größeren Umfang haben, als die beiden darunter gelegenen Reihen. Dies könnte jedoch auch darauf zurückzuführen sein, dass die Kapelle von Anfang an der Madonna geweiht war.
Bis heute wurde die These Romdahls, Arslans und Baumgarts teils widerlegt (Rintelen, Brandi), ihr wird heute keine große Beachtung mehr geschenkt. [4]
Die Untersuchungen der drei Forscher dienten dennoch dazu, die vielfältige Persönlichkeit Giottos zu klären und waren somit durchaus nicht vergebens.

[1] Salvini, Roberto (Hrsg.)
Giotto – Die Scrovegni Kapelle in Padua
Florenz Arnaud Verlag – Florenz 1956
S. 5
[2] Spielmann, Heinz
Giotto-fresken der Capella degli Scrovegni, Padua
S. 180

[3] Spielmann, Heinz
Giotto-Fresken der Capella degli Srovegni, Padua
In: Bertelsmann Lexikon Verlag (Hg.) : Lexikothek – Spektrum der Kunst
Gütersloh 1975
, S.180 – 181
[4] Salvini, Roberto (Hrsg.)
Giotto – Die Scrovegni Kapelle in Padua
Florenz Arnaud Verlag – Florenz 1956
S. 7-10

Deklination der Substantive im Althochdeutschen

Deklination der Substantive im Althochdeutschen


Die a-Deklination :

Man unterscheidet a-Stämme, ja-Stämme und wa-Stämme

a-Stämme:

tag (got. Dags) ’Tag’ wort (got. Waurd) ’Wort’

Mask. Neutr.
Sg. NA. tag wort
G. tages (-as) wortes (-as)
D. tage (-a) worte (-a)
I. tagu, -o wortu, -o
Pl. NA. taga (-a?) wort
G. tago worto
D. tagum, -om; -un, -on wortum, -om; -un, -on


ja-Stämme:

hirti (got. Hairdeis) ‘Hirt’ kunni (got. Kuni) ‘Geschlecht’

Mask. Neutr.
Sg. NA. hirti kunni
G. hirtes kunnes
D. hirtie; hirte kunnie; kunne
I. hirtiu; hirtu, -o kunniu; kunnu, -o
PL. NA. hirte; hirta, (-a) kunni
G. hirteo, -io; hirto kunneo, -io; kunno
D. hirtum, -un, -on kunnim, -in
hirtim, -in kunnum, -un, -on









wa-Stämme:

(h)leo (got. Hlaiw) ‘Grab’ horo ‘Schmutz’

Mask. Neutr.
Sg. NA. hleo, leo, le horo
G. hlewes horwes; horawes (horowes, horewes)
D. hlewe horwe; horawe (horowe, horewe)
Pl. NA. hlewa (-a) horo
G. hlewo horwo; horawo
D. hlewum, -un, -on horwum ; horawum, -un, -on


Die o-Deklination :

Die o-Deklination umfasst o- und jo-Stämme. Die wo-Stämme werden von den reinen o-Stämmen nicht unterschieden.

o-Stämme:

geba (got. Giba) ‚Gabe’

Fem.
Sg. NA. geba
G. geba (gebu, -o)
D. gebu, -o
Pl. NA. geba (-a)
G. gebono
D. gebom, -on,

jo-Stämme:

sunta ‘Sünde’ kuningin ‘Königin’

Sg. N. sunte; suntea, -ia; sunta kuningin
G. sunte; suntea, -ia; sunta kuninginna
D. suntiu; suntu kuninginnu
A. sunte; suntea, -ia; sunta kuninginna; (-in)
Pl. NA. sunte; suntea, -ia; sunta (-a) kuninginna; (-a)
G. sunteono; sentono kuninginnono
D. sunteom; suntom, -on kuninginnom, -on

L.N.Tolstoi: "Anna Karenina"

Vorstellung der Familien in Tolstois „Anna Karenina“

Tolstois Roman „Anna Karenina“ erzählt hauptsächlich von den Familien Schtscherbazkij, Oblonskij, Lewin und Karenin.
Alle Familien sind angesehene Adelsfamilien der Oberschicht der Moskauer bzw. Petersburger Gesellschaft.
Familie Schtscherbazkij hat drei Töchter und einen Sohn, der Sohn geht jedoch gleich nach seinem Studium zur Marine und kommt in der Ostsee ums Leben.
Darja (Dolly), die älteste Tochter heiratet den Fürsten Oblonskij, Natalie den Diplomaten Lwow und die jüngste Tochter Katerina (Kitty) heiratet schließlich den Gutsbesitzer Lewin. Die Familienmitglieder gehen sehr liebevoll miteinander um. Vor allem der Vater hängt sehr an seinen drei Töchtern, ganz besonders aber an Kitty, seiner Jüngsten. Die Mutter ist relativ streng mit den Mädchen, dennoch können ihre Töchter ihr alles anvertrauen und suchen mit ihren Sorgen und Nöten regelmäßig Rat bei der Mutter.
Stepan Oblonskij (Stiwa)und Dolly haben sieben Kinder, von denen jedoch zwei sehr früh sterben. Die Ehe der Oblonskijs ist aufgrund der wiederholten Untreue Stiwas und seiner Gewohnheit mehr Geld auszugeben als er besitzt, sehr unglücklich. Die Mutter ist zwar streng mit ihren Kindern, kümmert sich jedoch aufopferungsvoll um sie. Stiwa hingegen beschäftigt sich eher sporadisch und spielerisch mit seinen Kindern und überlässt alle erzieherischen Aufgaben seiner Frau.
Konstantin Lewin (Kostja) und Kitty sind frisch verheiratet und haben gerade ihr erstes Kind, einen Sohn, bekommen. Kostja ist ein Einzelgänger und Eigenbrödler und muss sich erst an das Ehe- und Familienleben gewöhnen. Beide gehen sehr respekt- und liebevoll miteinander um. Die Ehe verläuft trotz anfänglicher Schwierigkeiten sehr glücklich.
Alexej Karenin und seine Frau Anna, die gleichzeitig Stiwas Sschwester ist, haben nur ein Kind. Den kleinen Sergej, genannt Serjosha. Die Ehe verläuft sehr unglücklich. Die beiden Eheleute sind sehr unterschiedlich. Alexej ist kühl und distanziert und bringt seine Gefühle nicht gern zum Ausdruck. Anna hingegen ist offenherzig und temperamentvoll. Die Ehe bricht schließlich auseinander, als Anna ein Verhältnis mit dem Grafen Alexej Wronskij, einem ehemaligen Verehrer Kittys, anfängt und mit ihm zusammen ein Kind bekommt.

Grammatikfetischisten

Mühe, ein Adjektiv von einem Adverb zu unterscheiden? Nicht sicher, was der Akkusativfall ist?Was sind die Modi Imperativ, Indikativ, Konjunktiv und warum gibt es noch eine Differenzierung zwischen Konjunktiv I und II? Wie leitet man einen konzessiven Nebensatz ein?Hä, ist die Ellipse nicht eine spezielle geschlossene Kurve von ovaler Form?Schließen sich Parallelismen und Chiasmen aus?Was ist der Unterschied zwischen einem Satzgefüge und einer Satzreihe?Wo gehört das Komma hin und wieso?Wie bilde ich einen Objektsatz oder einen Subjektsatz?Was gehört zum Prädikat und woran erkenne ich die flektierte Verbform?Entspricht "pars pro toto" einer Synekdoche? Oder einer Metonymie? Für Grammatikfetischisten Lappalien!!! Jeder in dieser Gruppe ist sowas wie ein wandelndes Grammatiklexikon. Geht es euch vielmehr so,... ... dass ihr gerne über Grammatik fachsimpelt, ihr die Sprache in Regeln erklären könnt? Aber nicht jeder ist mit derselben Leidenschaft und Begeisterung dabei? Hat man euch deshalb zu Schulzeiten schon für Freaks gehalten? ... dass euch sämtliche Seminar-, Bachelor-, Master-, Magister-, Studien- oder Diplomarbeiten von euren Kommilitonen zur Korrektur gegeben werden? ... dass die Unterteilung der Genitivformen in genetivus qualitatis, genetivus partitivus, genetivus subiectivus, genetivus obiectivus, genetivus possessivus, genetivus auctoris, genetivus explicativus, genetivus definitivus und genetivus hebraicus einfach nur spannend ist? Dann seid ihr hier genau richtig. Diese Gruppe ist für alle, die auf Grammatik abfahren und/oder damit im Beruf/Studium zu tun haben. :o) Die Sprache logisch zu erklären, ist eine Wissenschaft für sich... sei es über Grammatik, Stilfiguren, Orthographie, Interpunktion...

Adjektiv-Verb-Verbindungen mit "stellen" und "machen"

3.5 Die Verben machen und stellen (Eva Weigand)

Die Verben machen und stellen kommen sehr häufig in Adjektiv-Verb-Verbindungen vor. Dementsprechend gibt es viele Verbindungen, die mehr oder weniger lexikalisiert sind.
In den Tabellen 3.1 und 3.2 schließt Frau Fuhrhop die Test „andere Verben“ und „andere Adjektive“ aus. Außerdem wird beim Valenztest die gesamte Verbindung dargestellt, da das Verb immer das gleiche ist.

Adjektiv-Verb-Verbindung mit machen

Diese Verbindungen können generell transitiv sein. Manche sind auch reflexiv.
Bsp.: sich schön machen
Machen ist in seiner Bedeutung sehr unspezifisch, was ein Grund für die vielen Kombinationsmöglichkeiten sein kann. Es hat außerdem zur Folge, dass der Objektbezug nicht immer ganz deutlich ist.
Bsp.: er macht seine Arbeit schlecht
-->schlecht kann sich auf die Arbeit oder auf machen beziehen.
Bedeutungsübertragungen die das Adjektiv alleine betreffen können, erscheinen gewissermaßen manifestiert.
Bsp.: kaltmachen, fertig machen, groß machen, schlechtmachen.
Eine Annäherung kann hierbei der Test „Zustand hinterher“ sein.

Besonderheiten von machen:

Machen ist nahezu uneingeschränkt mit derivationell komplexen Adjektiven kombinierbar.

(a) Daniel macht den Text lesbar, sie macht das Essen genießbar
(b) Sie macht das Ergebnis lächerlich, das Tor macht den Sieg wahrscheinlich
(c) Das karierte Hemd macht ihn kumpelhaft
(d) Sie macht den Text unleserlich/unlesbar, er macht das Essen ungenießbar
(e) Er mache den Vorfall ungeschehen
(f) Ich mache mich beliebt/unbeliebt, er macht sich unverzichtbar

Die genannten haben laut Fuhrhop keine Tendenz zu Wörtern zu werden. Bestenfalls ist eine Usualisierung möglich.[1]


Adjektiv-Verb-Verbindungen mit stellen

Diese Verbindungen stellen keine einheitliche Reihe dar. Dennoch lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen. Genau wie die Verbindungen mit machen sind auch die mit stellen transitiv oder reflexiv. Beide Varianten sind unterschiedlich zu interpretieren.

(a) er stellt sich tot/taub/stumm/doof à nicht resultativ
(b) die Polizei stellt das Fahrrad sicher
(c) er stellt das Essen warm/kalt à Objektsprädikativ, produktiv

Die Verbindungen, die nicht als Objektsprädikativ interpretiert werden können (b), verhalten sich in verschiedener Hinsicht anders als die produktiven Verbindungen in (c):
1. Es gibt analoge Wortbildungen : Sicherstellung, Klarstellung, Bloßstellung
Dies kann in zweierlei Hinsicht interpretiert werden.
1a. Als Basis für eine Rückbildung.
ànicht wahrscheinlich da substantivische Komposita typisch für Rückbildungen sind,
doch Sicherstellung geht nicht aus sicher und Stellung, sondern aus sicher und stellen
hervor.
1b. Die Verbindungen sind Wörter, aus denen Ableitungen gebildet werden.
--> Die Wortbildungen sprechen durchaus für die Wortartigkeit der Adjektiv-stellen-
Verbindung.
2. Das direkte Objekt ist nicht auf eine Akkusativrealisierung beschränkt, es kann auch durch
einen dass-Satz realisiert werden.
Bsp.: ich stelle sicher/klar, dass...
--> Die Verbindung ist nicht im üblichen Sinne ein Objektsprädikativ
3. Bei einigen Beispielen ist eine Komparation möglich.
Bsp.: schlechter stellen, besser stellen
--> Dies spricht gegen eine Analyse als Wort.


Sind stellen und machen Vollverben?

stellen:
In Konstruktionen wie zufrieden stellen, sicherstellen ist stellen nahezu bedeutungsleer.
Mutmaßlich reihenbildende Elemente wie totlachen oder totarbeiten haben sich als syntagmisch erwiesen.
Die Eigenschaften, die Funktionsverben unterstellt werden, treffen für stellen zu.
(‚abgeleitete Bedeutung’, ‚direktionale oder lokale Grundbedeutung’, ‚Verb mit verblasster Bedeutung’) [2]

machen:
Als Tätigkeitsverb hat machen zwar eine relativ unspezifische Bedeutung, ist jedoch nicht bedeutungsleer.
Machen verhält sich in Konstruktionen wie zufrieden machen wie ein Vollverb.

FAZIT

Frau Fuhrhop gelangt zu der Ansicht, stellen sei ein Funktionsverb, machen sei ein Vollverb.
Diese Analyse führt dazu, dass die Adjektiv-stellen-Verbindungen keine Wörter sind, sondern Syntagmen.
Alternativ lässt sie die Möglichkeit offen, die transitiven A-V-V mit stellen als Wörter zu betrachten, die reflexiven hingegen als Syntagmen.


[1] Usualisierung: Ein neu gebildetes Wort wird auf eine seiner Bedeutungen reduziert.
[2] Eisenberg (2004b: 309)

H. Böll : "Und sagte kein einziges Wort" - Bilder einer Ehe

Fred und Käthes Ehe


Fred und Käthe lernten sich kennen, als sie beide in der gleichen Bibliothek arbeiteten. Käthe aus Leidenschaft zur Literatur, Fred hingegen eher zufällig. Seine Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Leben hatte bereits damals begonnen. Er wechselte häufig die Jobs ohne jemals wirkliches Interesse an einer der Arbeiten aufbringen zu können.
Trotz ihrer unterschiedlichen Lebenseinstellungen fanden sie zueinander und heirateten. Käthe war damals 23 und Fred 28 Jahre alt. Sie hatten beide nicht viel Geld, doch mit der Geburt ihres ersten Kindes Clemens, hatten sie es zu einer richtigen Wohnung und einem bescheidenen Wohlstand gebracht.
Dann kam der Krieg. Fred wurde eingezogen, doch er hasste das Soldatenleben mehr als alles andere. Er wurde fahnenflüchtig und kehrte rechtzeitig zur Geburt der Zwillinge, Robert und Regina, zu seiner Familie zurück.
Ihr Leben sollte nicht mehr so werden wie zuvor. Der Krieg hatte ihre Wohnung und Freds Lebenswillen zerstört. Die Bogners verarmten und bald darauf starben die Zwillinge.
Zum Zeitpunkt der Erzählung sind die Bogners bereits 15 Jahre verheiratet. Clemens ist bereits 13, seine Schwester Clara 11 Jahre alt. Außerdem haben die Bogners noch ihren Jüngsten, den etwa ein Jahr alten Franz und Käthe ist wieder schwanger.
Käthe und die Kinder leben gemeinsam in einem einzigen Zimmer, dass Familie Franke für sie frei gemacht hat. Eine Wohnung bekommen sie nicht, da Fred der Ruf eines Säufers voraus eilt. Zuletzt konnte Fred die Armut und die Enge des Zimmers nicht mehr ertragen. Er wurde zusehends gereizter und schlug schließlich sogar seine Kinder.
Um seine Familie vor sich zu schützen und ihre Armut nicht mehr täglich mit ansehen zu müssen, zog er aus. Seither ist er ohne festen Wohnsitz. Er zieht durch die Straßen und Kneipen, leiht sich immer wieder Geld und schläft beinahe jede Nacht woanders.
Dennoch trifft er sich regelmäßig mit seiner Frau, gibt ihr all sein Geld und sie bleiben weiterhin ein Paar. Den Kindern sagt Käthe ihr Vater sei krank, werde jedoch bald zurückkommen. Fred will sie nicht sehen. Er fühlt sich schuldig, weil er sie schlug und weil er ihnen keine anderes Leben bieten kann. Es erschreckt ihn zu sehen, sie ihn dennoch lieben.
Fred und Käthe lieben sich, doch die Armut und Freds scheinbare Unfähigkeit sich selbst, und damit ihr Leben zu ändern, stellen ihre Ehe auf eine harte Probe. Sie droht zu zerbrechen.

Theodor Wiesengrund Adorno

Adorno und die Frankfurter Schule

Der Begriff „Frankfurter Schule“ beschreibt den Zusammenschluss einiger Philosophen, welche gemeinsam am Frankfurter Institut für Sozialforschung arbeiteten und sich gegen die kapitalistische Kultur im Allgemeinen und die damals bestehende, kapitalistische Marktwirtschaft im Besonderen aussprachen.
Zu diesem Kreis gehörten vor allen Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Macuse, Walter Benjamin und Jürgen Habermas.
Adorno und Horkheimer waren die treibenden Kräfte in Bezug auf die „kritische Theorie“, wie sie selbst ihre Kapitalismuskritik betitelten. Dieser Name geht auf Horkheimers Schrift „Traditionelle und kritische Theorie“ zurück, welcher 1937 veröffentlicht wurde. Adorno konnte sich zunächst nicht ohne Bedenken der kritischen Theorie anschließen, bekannte sich jedoch später bedingungslos zu ihr.

„Unzweifelhaft geht jedoch aus allen von uns zusammengetragenen biographischen Fakten hervor, dass die entscheidenden geistigen Impulse Adornos zunächst außerhalb des Institutes lagen und außerhalb jener >>Kritischen Theorie<<, mit der er sich später identifizieren wird.“[1]

Adorno gehört ab 1933, wenn auch zunächst nur inoffiziell, dem Frankfurter Institut für Sozialforschung (aus welchem die Frankfurter Schule hervorging) an.
Als das Institut 1933 ins Ausland emigrieren muss, geht Adorno zunächst nicht mit. Zwar flieht auch er vor den Nationalsozialisten ins Ausland, doch er lässt sich zunächst in England nieder. Das Adorno dem Institut so lange fernblieb, mag zum Einen persönliche Gründe haben. Während er in England lebte, war es ihm möglich seine Ferien jedes Jahr mit seiner Familie in Frankfurt zu verbringen. Amerika hingegen bedeutete einen harten Bruch mit seiner gewohnten Umgebung und Gefühlswelt. Zum Anderen mag sein Zögern auch auf die bereits erwähnten theoretischen Differenzen zurückzuführen sein.
Erst 1938, nachdem Horkheimer ihn zu einem Besuch in Amerika eingeladen hatte, konnte Adorno sich dazu entschließen, sich dem Institut an seinem derzeitigen Standort in New York wieder anzuschließen.
1949 kommen Horkheimer und Adorno zurück nach Deutschland. Horkheimer kümmert sich um die Reorganisation des Institutes. In der Folgezeit konzentriert sich Horkheimer mehr und mehr auf die Repräsentation des Institutes. Adorno hingegen intensiviert die musiksoziologische Forschung, als deren Begründer er heute gesehen wird.
Vier Jahre nach seiner Rückkehr nach Deutschland wird Adorno Direktor des Institutes für Sozialforschung in Frankfurt.
1961 ist er sogar Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Adorno zunächst ein eher zögerlicher Vertreter der Frankfurter Schule war, sich jedoch nach einigen Jahren vollständig mit ihrem Gedankengut identifizierte, bzw. dieses prägte und sich im Institut für Sozialforschung schließlich sogar die höchsten beruflichen Positionen erarbeitete.


[1] Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.)
“Text + Kritik - Theodor W. Adorno”
S. 23

W. G. Sebald

W.G. Sebald gehört zu den großen deutschsprachigen Erzählern des ausgehenden 20. Jahrhunderts – in Deutschland blieb er lange ein Geheimtipp (und ist es bis heute), in den englischsprachigen Ländern wurde er bereits früh gefeiert. Seine Prosa, die sich durch ein (postmodernes) Spiel mit traditionellen Gattungsvorstellungen, die Langsamkeit des Erzählens .... auszeichnet, ist nicht nur ein ästhetischer Genuss auf höchster Ebene, sondern auch eine Herausforderung: Die Beziehungen zu anderen literarischen Prätexten sind unendlich, die Bezüge zu zentralen literaturtheoretischen Konzepten des 20. Jahrhunderts immer präsent – ohne sich aber darin zu erschöpfen. Vielmehr formt Sebald aus diesem heterogenen Material eine Einheit, ein Konzept, einen Text.